
Ausgangssituation
Der Check-in Bereich für Gepäck bei einem Flughafen wird allgemein in eine »Land Side« und eine »Air Side« unterteilt, wobei erstere für die Öffentlichkeit zugänglich ist. Auf dieser Seite befindet sich das Flughafenpersonal und wiegt das Gepäck, übergibt den Passagieren die Bordkarten und checkt die Gepäckstücke ein. Anschließend fährt ein Förderband die Gepäckstücke auf die »Air Side«, welche öffentlich nicht zugänglich ist und mithilfe von Sicherheitsmaßnahmen gegenüber unbefugtem oder fälschlichem Betreten gesichert ist. Die »Air Side« besitzt eine autonome Gepäckverteilung in die unterschiedlichen Flughafenbereiche, um den reibungslosen Ablauf des Flugverkehrs sicherzustellen. Die verschiedenen, höhenverstellbaren Förderbänder können bei Unachtsamkeit erhebliche Quetschungen oder andere körperliche Schäden verursachen, deshalb muss dieser Bereich sicherheitsüberwacht sein. Diese Sicherheit wird meist mithilfe von Laserscannern im Bereich der Gepäckaufgabe gewährleistet, welche den hinteren Bereich schützen und nur bei Freigabe durch das Flughafenpersonal freigeschaltet sind.
Lösungsidee
Im Verlauf dieses Exploring Projects soll der zuvor beschriebene Anwendungsfall in einer vereinfachten Version untersucht werden. Die vereinfachte Version besteht aus einem Förderband mit zwei Laserscannern links und rechts oberhalb des Förderbandes, welche die sicherheitskritische Abschaltung des Förderbands gewährleisten, falls eine Person auf dem Förderband detektiert wird. Ein Neuronales Netz (NN) soll der Steuerung hinzugeschaltet werden, welches Objekte auf dem Förderband anhand der Laserscanner-Daten entweder als Mensch oder nicht als Mensch klassifiziert (binäre Klassifikation) und als Resultat die sicherheitskritische Abschaltung im Falle einer Person auf dem Förderband gewährleistet.
Vor der industriellen Marktreife einer solchen neuen Technologie ist es nötig darzustellen, dass die Anwendung der Technologie sicher ist. Standards sind ein Mittel, um begründetes Vertrauen in die Sicherheit einer Anwendung zu schaffen. Ein anderes Mittel sind Assurance Cases, welche mithilfe von Metriken und Nachweisen eine Argumentationsstruktur aufbauen. Eine allgemein akzeptierte Argumentationsstruktur für eine solche Nachweisführung im Bereich der Künstlichen Intelligenz existiert aktuell noch nicht. Ebenso kann ein akzeptables Restrisiko für den Einsatz von Methoden der Künstlichen Intelligenz (z.B. Deep Neural Networks, Bayesian Networks) aktuell noch nicht nachgewiesen werden, was den Einsatz dieser vielversprechenden Methoden in der Sicherheitstechnik hemmt oder gar komplett blockiert.
In einem vorangegangenen Quick Check wurde die Beweisführungsmethode der Goal Structuring Notation (GSN) für solche Assurance Cases überarbeitet und für ihre Eignung im stationären Bereich angepasst sowie um neue Zusammenhänge erweitert. Hierfür wurde die GSN in drei Kategorien unterteilt: Zum einen die Reduktion von Risiken durch fehlende Spezifikationen, die Reduktion von semantischen Lücken sowie die Minimierung von Risiken durch eine deduktive Lücke. Der Fokus lag hierbei auf dieser letzten Kategorie, die Minimierung der deduktiven Lücke, wobei die Extraktion von Methoden und Metriken das Ziel war. Die identifizierten unterstützenden Methoden für eine solche Argumentationsstruktur wurden abschließend hinsichtlich ihrer Eignung bewertet. Eine identifizierte Methode ist die formale Verifikation mittels mathematischer Methoden. Die hierdurch gewonnenen Garantien bzw. Beweise würden der Argumentation eine mathematische Beweisführung beilegen, welche als starke Evidenz angesehen wird. Deshalb sollen im Verlauf des Exploring Projects die formalen Methoden im Bereich des Maschinellen Lernens untersucht, implementiert und ausgewertet werden hinsichtlich möglicher Garantien oder Beweise für einen Assurance Case. Dieser Assurance Case soll im Anschluss gemeinsam mit der University of York und der Firma SICK ausgearbeitet werden.
Nutzen
Die Ergebnisse dieses Projektes ermöglichen einen weiteren Schritt in Richtung der Verwertbarkeit von Neuronalen Netzen in sicherheitskritischen Anwendungen. Die Argumentationsstruktur könnte einen Grundstein für den Einsatz von Methoden der Künstlichen Intelligenz im Rahmen von sicherheitskritischen Anwendungen legen, wodurch sowohl neue Anwendungen erschlossen als auch bestehende optimiert werden können.
Im Sinne einer Argumentationsstruktur kann eine solche Herangehensweise in beliebigen Projekten wiederverwendet werden. Zusätzlich bringen die entwickelten Methoden zur Erzeugung von Beweisen über Qualitätsattribute von Komponenten der KI einen beachtlichen Mehrwert bei der Qualitätssicherung von KI-Methoden.
Umsetzung der KI-Applikation
Das Neuronale Netzwerk zur Erkennung von Menschen auf einer Förderband-Anwendung wurde von SICK bereits in Simulation entwickelt und steht für die Verifikation zur Verfügung. Nach eingehender Recherche der Methoden und Algorithmen für die formale Verifikation wurden mehrere vielversprechende Frameworks ausgewählt und hinsichtlich ihrer Eignung für den Anwendungsfall untersucht. Die erste Untersuchung sollte anhand eines einfachen Datensatzes aus zweidimensionalen Punktewolken stattfinden. Dieser Datensatz wurde mithilfe der bitweisen exklusiven ODER-Verknüpfung in
Die erzeugten Evidenzen waren für eine Beweisführung in einem Assurance Case leider nicht ausreichend, da nicht nachgewiesen werden kann, weshalb mehr als die Hälfte der Ungleichungen als »unsicher« eingestuft wird. Dies würde weitere Untersuchungen erfordern, die den Rahmen des Exploring Projects weit überschreiten. Deshalb wird, in Absprache mit der University of York, für den Assurance Case eine andere Beweisführung angestrebt. Hierbei soll die statistische Validierung im Vordergrund stehen. Die Evaluierung von formalen Methoden im Bereich des Maschinellen Lernens hat ergeben, dass die Extraktion von Attributen für ein Entscheidungsproblem eine komplexe Aufgabe ist, da die Charakteristiken eines Objekts in eine mathematische Repräsentation überführt werden müssen. Ebenfalls ist die mathematisch korrekte Überprüfung eines Neuronalen Netzes rechenintensiv und langwierig, welches die Anwendung in realitätsnahen Applikationen hemmt.